Für viele Trainierende ist Mobility-Training bereits fester Bestandteil des Workouts – und das ist gut! Jedoch hat der Begriff Mobility für jeden eine andere Bedeutung: Einige verstehen darunter das klassische Dehnen, andere nutzen moderne Tools wie Resistance Bands und Faszienrollen und einige verweilen z.B. für eine gewisse Zeit in bestimmten Bewegungen, wie der tiefen Hocke. Welche Methode Du wann anwenden solltest und wie sie voneinander zu differenzieren sind, kann von folgendem Grundsatz abgeleitet werden: Dein Beweglichkeitstraining muss zielgerichtet sein! Das bedeutet, dass sowohl Inhalt, als auch Methodenauswahl auf Deinen Trainingsschwerpunkt und Deine individuellen körperlichen Voraussetzungen angepasst werden müssen. Zudem solltest Du ein allgemeines Aufwärmen nicht vernachlässigen. Falls Dir der Unterschied zwischen allgemeinem und spezifischem Aufwärmen nicht bewusst ist, kannst Du das in unserem Trainingsguide Smart-Training nachlesen. Dort erfährst Du außerdem wie Du die Gestaltung der Aufwärmsätze einer Übung am besten angehst.
Die Bedeutung der Bindegewebsstrukturen auf die Beweglichkeit
Nahezu alle Bewegungen des Alltags und speziell die Bewegungsmotorik im Sport beanspruchen myofasziale Ketten, da diese Bewegungsmuster mehrdimensionale Verspannungsmechanismen der Skelettmuskulatur und der Bindegewebsstrukturen bedingen. Damit Du verstehst was wir mit mehrdimensionalen Verspannungsmechanismen meinen, solltest Du wissen, dass Faszien sich nicht nur zwischen den einzelnen Muskelschichten und um den Muskel herum befinden, sondern sich auch komplett unabhängig von Muskulaturverläufen durch den Körper ziehen. So gibt es beispielsweise eine lange Faszie, die sich von den Fußsohlen aufwärts an der Rückseite des Oberschenkels und des Rückens bis hoch zum Kopf zieht. Eine andere bekannte Faszie befindet sich im Bereich des unteren Rückens und verspannt die gegenüberliegende Rücken- mit der Pomuskulatur. Häufig entstehen bei der mangelhaften Ernährung und Bewegung dieses Bindegewebes Schmerzen, die nicht aus der Muskulatur oder den passiven Strukturen wie Gelenken kommen. Die viskoelastischen Eigenschaften von Bindegewebsstrukturen ermöglichen uns deshalb in Verbindung mit der Schnellkraft der Arbeitsmuskulatur eine effektive Bewegungsbewältigung. Einschränkungen in der Beweglichkeit führen demnach zu Ineffizienz und Leistungseinbußen im Sport. Daher ist es von großer Bedeutung mehrdimensionale Mobilisationsübungen (komplexe Bewegungen) als Bewegungsvorbereitung in unser Training einzubauen. Der Ansatz des Dehnens von isolierten Muskelgruppen ist somit konträr zum Ansatz der Dehnung langer myofaszialer Ketten. Daher solltest Du Dich nicht nur auf ein isoliertes Aufwärmen beschränken, sondern einen ganzheitlichen Mobility-Ansatz verfolgen.
Dehnen – Sinn oder Unsinn?
Über das Dehnen wird viel diskutiert: Bringt das was und wie dehne ich mich richtig? Selten wird sich differenziert mit dem Thema auseinandergesetzt, es gibt entweder die Befürworter oder die absoluten Gegner. Deshalb möchten wir Euch im nächsten Teil studienbasierte Fakten liefern:
1) Zu intensives und zu langes (statisches) Dehnen bei anschließendem Kraft-/Schnellkrafttraining wirkt kontraproduktiv und kann Verletzungen fördern (Wiemann & Kampfhöfner, 1995), außerdem liegt dabei eine negative Leistungsentwicklung vor (Power et al., 2004).
2) Dynamisches Dehnen erwies sich über kurzfristigen Zeitraum (zwei Wochen) anderen Dehntechniken überlegen, indem es vermehrt zur Verbesserung der maximalen Beweglichkeit beitrug (Curry et al., 2009; Wydra et al., 1999).
3) Es können keine positiven Effekte von Dehnen auf eine Muskelkaterprophylaxe nachgewiesen werden (Wiemeyer, 2002).
Dehnen gilt somit durchaus als Methode des Beweglichkeitstrainings, jedoch ist kurzes aktiv-dynamisches Dehnen, wie es auch im Leistungssport angewandt wird, dem statischen Dehnen vorzuziehen. Das Ausmaß und die Gestaltung Deiner Dehneinheit solltest Du nach Deiner jeweiligen Sportart ausrichten. Bei Sportarten, bei denen die Muskeldehnbarkeit elementar ist, muss die Muskeldehnung beispielsweise Hauptgegenstand des spezifischen Trainings und der Mobility-Routine sein. Für den Kraftsport ist die wohl wichtigste Methode alle Übungen über vollständige Bewegungsamplituden zu absolvieren (full ROM), da dies bereits die Beweglichkeit enorm verbessert. Spezielle Mobility- und Dehnübungen für das Unterkörper- bzw. Po-Training findest Du in unserem neuen eBook Dein Booty-Guide unter dem Kapitel Glute Activation. Das nachfolgende Bild findest Du samt Erklärung der Übungsausführung und Start- & Endposition im eBook wieder.
Trend Faszienrolle – Warum Rollen keinen Einfluss auf die Faszien hat
Mittlerweile sind die Fitnessstudios voll davon und für viele Trainierende ist das Rollen/Ausrollen auf sogenannten Faszienrollen fester Bestandteil des Aufwärmens aber auch des Cool Downs. Dass diese Technik tatsächlich jedoch gar keinen Einfluss auf das fasziale Bindegewebe hat, wissen nur wenige. Warum das so ist und was der Einsatz von Faszienrollen und Triggerbällen dennoch für Deine Mobility bewirken kann, wollen wir Dir hier erklären:
Die bisher bestehende Annahme vieler Trainierender ist, dass das Rollen eine Verbesserung der Geschmeidigkeit des Fasziengewebes hervorruft und daraus eine erhöhte Beweglichkeit resultiert. Mechanische Veränderungen des Fasziengewebes durch Ausrollen sind jedoch schlichtweg nicht möglich (Schleip, 2003). Es findet nur eine Kompression des Bindegewebes statt, welches die Bindegewebszellen nicht zum Wachstum anregen kann. Daher ist die Annahme langfristig eine verbesserte Beweglichkeit zu erlangen falsch. Die Beweglichkeit erhöht sich dadurch nur kurzzeitig (ca. 10 Minuten). Außerdem kann kein Muskelkater oder Muskelschmerz verhindert werden. Auch auf die Muskelleistung hat das Rollen keinen optimierenden Effekt, eine Verbesserung der Maximal- oder Schnellkraft ist nicht möglich. Dann haben Faszienrollen also gar keinen Effekt? Nein. Tatsächlich findet eine Stimulation der Nervenenden in der Muskulatur statt, wodurch eine Anpassung des Muskelgewebes folgt, jedoch keine Anpassung der Faszie. Zudem bewirkt der mechanische Zug, welcher von der Muskulatur auf die Faszie wirkt, ein Wachstum der Fibroblasten in den Faszien und führt dadurch zum Neuaufbau von Bindegewebssubstanz. Das Ausrollen kann im Rahmen des Mobility-Trainings dennoch zur Bewegungsvorbereitung vor dem Krafttraining verwendet werden, da die Mechanorezeptoren im Fasziengewebe angeregt werden und Signale in das Gewebe senden und dieses aktivieren (nicht nur lokal!). Dieses Prinzip der neurophysiologischen Reizweiterleitung kannst Du mit folgendem Beispiel ausprobieren:
Setze Dich mit gestreckten Beinen auf den Boden, beuge Dich nach vorne und versuche Deine Fingerspitzen den Fußspitzen anzunähern. Merke Dir den Abstand! Nun rollst Du die Unterseite Deines Fußes bzw. beider Füße mit einem festen kleinen Ball (z.B. Tennisball, Golfball) aus und wiederholst den Test anschließend. Du wirst feststellen, dass sich der Abstand zwischen Finger- und Fußspitzen verringert hat und Du eine verbesserte Mobility hast!